Aufbau der eigenen Identität in der Adoleszenz
Die wesentliche psychosoziale Entwicklungsaufgabe in der Adoleszenz ist der Aufbau einer eigenen Identität. Der junge Mensch beginnt sich von seinen früheren Bezugsperson und deren Lebens- und Wertvorstellung zu distanzieren und sucht die Auseinandersetzung mit seiner Peergruppe.
Das eigene Weltbild wird in Frage gestellt
In diese Zeit wird aber nicht nur das bisherige Weltbild und das Leben der Erwachsenen seines sozialen Umfeldes auf den Prüfstand gestellt, sondern der Adoleszente beginnt über sich selbst nachzudenken und sich selbst in Frage zu stellen. Die körperliche Veränderung in der Pubertät macht den labilen Zustand nicht gerade besser, sondern wirkt zudem destabilisierend. Man kann sich vorstellen, dass der junge Mensch nun sehr sensibel für Kritik und sehr leicht zu verunsichern ist.
Sozialer Vergleich erzeugt Druck
Nun wendet sich also der Jugendliche von seinem ihm wohl gesonnen familiären Kontext ab und setzt sich gemäß seines Entwicklungsprogrammes dem sozialen Vergleich seiner Altersgruppe aus, um sich in diesem (neuen) Kontext zu etablieren und sich dabei auch noch selbst zu finden. Dies ist unter realen, anlogen Bedingungen schon für den ein oder anderen schwer genug. Der soziale Vergleich in den der virtuellen Welt macht es aber nicht leichter, sondern erzeugt zusätzlichen Druck, der in das reale, analoge Leben hineinspielt.
24/7 weltweiter Vergleich
Der Möglichkeitsraum des sozialen Vergleichs, war noch vor zwanzig, dreißig Jahre weitaus kleiner und überschaubarer. Er war nicht nur regional begrenzt, sondern auch hinsichtlich seiner zeitlichen Dimension beschränkt. Durch die sozialen Medien im Internet kam es zu einer plötzlichen Ausweitung des sozialen Möglichkeits- und Vergleichsraumes, weil man sich nun mit der ganzen Welt per Knopfdruck von zu Hause aus mit anderen, auf eine vorher nie dagewesene Art und Weise in Bezug setzen und vergleichen kann. Wo man sich früher vielleicht im Schulbus, im Jugendtreff oder auf Partys durch physisch, reale Auseinandersetzung gegenseitig sozialisierte und seinen eigenen Stil zu entwickeln versuchte, der so eigen ja nicht sein konnte, weil man sich des Stils des Gegenübers bediente und diesen entweder zu imitieren oder ins Gegenteil zu wandeln versuchte, so hat man heute die gesamte Welt als Sozialisationsmodell in Form des Smartphones in der Hand.
Selbstdarstellung ad absurdum
Die bisherige physische soziale Auseinandersetzung auf lokal und zeitlich beschränktem Raum gibt es heute immer noch, aber sie wird mehr und mehr unmerklich beeinflusst von den Auswirkungen dieser sensationsorientierten, schnelllebigen und selbstdarstellerischen Kommunikationsform in vielen Bereichen der sozialen Medien. Es wirkt wie ein Wettstreit, zu dem man sich zwar freiwillig angemeldet hat, aber über dessen wettbewerbsorientierte Logik, der man unausweichlich Teil und aufrechterhaltende Bedingung zugleich wird, man nicht aufgeklärt wurde. Wobei die Aufklärung eher nichts an der Sogwirkung ändern würde und auch nicht an dem sich sofort aufbauenden Konformitätsdruck, dem der Einzelne, besonders der Heranwachsende nicht gewachsen ist und sich demnach anpasst. Man ist längst Teil des Wettstreites ohne es zu merken, weil man die Kommunikation aus subjektiven, psychologischen Motiven heraus (z.B. Anerkennung, Zugehörigkeit usw.) so fortführt, wie sie einem dargeboten wird. Würde man dieses Spiel nicht spielen, würde man wahrscheinlich sehr schnell aus dem System heraus fallen und könne damit an dem Kommunikationsfluss nicht teilnehmen, bekomme also kurz gefasst kein „like“.
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