Sag mal: spielt ihr da nur?

Und was machst du so in deiner Therapiestunde beim Kinderpsychologen? „Wir spielen!“ So mancher wird sich fragen, ob Spieltherapie wirklich helfen kann. Das Spiel ist die natürliche und ursprüngliche Ausdrucksform des Kindes. Kinder lernen im Spiel. Der Vorteil daran: es macht Kindern auch noch Spaß. Kinder spielen zum Selbstzweck. Das bedeutet, dass niemand sie zum spielen anhalten muss oder es ihnen beibringen müsste – zumindest wenn die kindliche Entwicklung nach Plan verläuft. Kinder sind von „innen heraus“ motiviert und es fällt ihnen leicht. Man nennt das auch intrinsische Motivation.

Spielen ist Lernen

Im Spiel finden so gut wie alle Lernprozesse statt, die für die Entwicklung des Kindes von Wichtigkeit sind. Dabei findet lernen unbewusst und unwillkürlich statt. Ein Kind entscheidet sich also nicht „das muss ich jetzt aber lernen“, es lernt einfach so, ohne zu merken, dass es lernt. Der Traum eines jeden Schülers: Lernen nebenbei. Im Spiel lernt ein Kind grundlegende Fähigkeiten, die es nicht nur in der Schule, sondern in seinem gesamten späteren Leben brauchen wird. Das Kind lernt beim Spielen (besonders mit einem Gegenüber) Gemeinschaftssinn, Perspektiven zu übernehmen, Einfühlungsvermögen, Fairness, Geschicklichkeit, Regelverhalten, Handlungen zu planen, Ordnung und Struktur zu entwicklen und zu halten, Freiwilligkeit, Durchhaltevermögen, Gefühle zu steuern, Anspannung und Entspannung zu regulieren, Freude an Aktivität und am Ausprobieren zu entwickeln usw.

Spielen ist Diagnostik

Das Spielverhalten eines Kindes verrät dem geschulten Auge des Kindertherapeuten eine ganze Menge. Es zeigen sich viele Hinweise bezüglich des aktuellen Entwicklungsstandes des Kindes. Spielen in der Therapie hat damit einen sehr hohen diagnostischen Wert; man könnte fast sagen einen höheren Erkenntniswert als psychologische Tests. Das Spielverhalten des Kindes eröffnet dem Kindertherapeuten einen Einblick hinter die Kulissen. Aktuelle Beziehungsthemen mit den Eltern werden inszeniert, Konflikte mit Gleichaltrigen nachgespielt. Sorgen und Ängste werden im Spiel mit Objekten dargestellt. Dies passiert meist ohne jegliches Zutun des Therapeuten. Ein Kind tut dies aus freien Stücken, vorausgesetzt es konnte zum Kindertherapeuten eine tragfähige Vertrauensbeziehung aufbauen. Dem Kinderpsychologen eröffnen sich während der Spielbeobachtung zahlreiche Interventionsmöglichkeiten.

Der Clou beim therapeutischen Spiel:

„Diagnose und Intervention passiert zur selben Zeit. Auf möglichen Förderbedarf kann im Spiel sofort reagiert werden.“

Spielen beim Kindertherapeuten ist irgendwie anders

Das Kind bemerkt bei einem guten Kinderpsychologen nicht, dass es während des Spielens unter aufmerksamer Beobachtung steht. Es realisiert auch nicht, dass sein Erleben und Verhalten durch gezielte Zurückhaltung oder dosierte, wohl überlegte Spiel-Aktionen vom Therapeuten behutsam gelenkt werden. Mit der Zeit sammelt das Kind neue (Beziehungs-) Erfahrungen. Es lernt in der spielerischen Auseinandersetzung mit dem therapeutischen Modell sich mehr und mehr selbst zu regulieren und funktionale Erlebens- und Verhaltensmuster zu zeigen. Symptome beginnen zu verblassen. Das Spiel mit dem Kindertherapeuten sieht nur auf den ersten Blick so aus wie das Spiel mit Gleichaltrigen oder den Eltern.

Ein „Spiel“ auf mehreren Ebenen

Während der Kinderpsychologe sich einerseits ganz auf das Spiel des Kindes einlässt und dabei die vom Kind (meist indirekt) angebotene Rolle einnimmt, beobachtet er anderseits das Geschehen aus einer Metaperspektive. Er registriert z.B. sich wiederholende Bewegungs-, Kommunikations- und Verhaltensmuster genauso wie Wahrnehmungspräferenzen und emotionale Reaktionen des Kindes in Abhängigkeit der aktuellen Spielsituation, und achtet gleichzeitig auf eigene Empfindungen und Handlungstendenzen. Aus dieser Vielfalt an Informationen leitet sich der therapeutische Förderbedarf und die Intervention ab.