Nachfragt: die Haltung des Beraters in Therapie und Supervision
Sie werden ja häufiger zu ganz unterschiedlichen psychologischen und psychotherapeutischen Themen um Rat gefragt. Wie gehen Sie da vor?
Mitunter ist das richtig – nur habe ich eben nicht auf alles eine passende Antwort. Wenn ich nicht weiter weiß, hilft es ein breitgefächertes Netzwerk zu haben, das man sich im Laufe der Jahre aufgebaut hat.
Bei Anfragen, egal welcher Art, ob es Klienten, Familien, Jugendliche, Institutionen sind, geht es immer um Anliegenklärung. Wer verspricht sich was von wem und warum? Was soll dabei meine Rolle sein. Woran würde man merken, dass beispielsweise ein Supervisionsgespräch oder eine Coaching hilfreich ist? Häufig gibt es eine Art „hidden agenda“, die bewusst oder auch unbewusst sein kann. Das erstgenannte Anliegen oder das zunächst gewünschte Ziel ist meist nicht, worum es tatsächlich geht. Es ist manchmal wirklich verzwickt, das eigentliche Bedürfnis und Motiv aus einer Anfrage herauszulesen. Daher lohnt es sich, genau hinzusehen und auch nicht jeden Auftrag anzunehmen. Nicht allzu selten wird trotz Auftrags- und Rollenklärung manches dann vermischt. Das ist mir natürlich auch schon passiert: Man segelt unter bestimmten Vorzeichen los und der Ratsuchende oder Auftraggeber wechselt während der Fahrt die Flagge und macht etwas gänzlich anderes daraus.
Das ist doch ärgerlich?
Naja, es ist teil der menschlichen Natur. Es gehört zum normalen Leben dazu. Es ist vielleicht manchmal etwas ernüchternd, dass etwas nur scheinbar klar und vereinbart erscheint. Es ist und bleibt eben eine Konstruktion und die versteht am Ende doch wieder jeder so, wie er sie verstehen will und welchem verdeckten Auftrag, welcher verdeckten Agenda der Akteur Folge leisten will.
Und was heißt das konkret?
Nunja, das heißt dass man zumindest als Berater für sich seine Position klar haben sollte. Es gibt ja immer gewisse ethische Prinzipien und schulspezifische, wissenschaftlich begründete Werthaltungen und es macht Sinn, jene, denen man sich aufgrund seiner Profession und aus reifer Überlegung heraus verpflichtet fühlt, über alle Kommunikationswege nach außen hin immer spürbar zum Ausdruck bringt.
So wie bei Ihnen, dass erfolgreiche Therapie eine „Begegnung auf Augenhöhe“ ist?
Ja. Die Begegnung auf Augenhöhe impliziert Beziehung und jede vertrauensvolle Beziehung fußt auf Einfühlungsvermögen, auf wertschätzende bedürfniszentrierte Interaktionsangebote.
Manche kennen vielleicht Marshall Rosenberg. Im Grunde geht es hier um einen bedürfnisorientiertes Konzept. Ich versuche herauszufinden, wie es dem anderen gerade ergeht und was das eigentliche Bedürfnis hinter dem Gesagten oder Getanen ist. Es geht um Offenheit, Unvoreingenommenheit und Interesse am Gegenüber, an dessen Belangen und Motiven. Für einen selbst ist eine solche neugierige offene Haltung dann meist eher „spannend als anspannend“ – man braucht sich nicht angegriffen zu fühlen und zu ärgern.