Nachgefragt: Bindung ist Trumpf – wie lässt sich Konditionierung einordnen

 

Ich habe vom Klicker Training im Erziehungskontext gehört. Macht das Sinn?

Um es kurz zu machen: im generellen Erziehungsalltag von Eltern, kann ich mir das nicht vorstellen.

Was ich stattdessen wirklich jedem ans Herz legen kann und was ich in meiner Praxis immer propagiere und mit den Klienten im geschützten Raum über mehrere Sitzungen hinweg beleuchte, modellhaft vormache und einübe, sind die Grundlagen des „SAFE“ Programms (Sichere Ausbildung für Eltern, ein bindungsorientiertes Programm des international anerkannten Bindungsforscher Prof. Dr. Brisch) und bedürfnisorientierte, bindungsorientierte, wertschätzende Kommunikationskonzepte. Damit kommt man sehr sehr weit.

Ziel muss immer der Aufbau einer sicheren Bindung sein, bei gleichzeitiger Entwicklung bezogener Individuation.

Jetzt haben Sie ja bei einer Pilotsendung im Fernsehen mitgemacht. In diesem Zusammenhang kommt das Klicker-Training vor. Was können Sie dazu sagen?

Für mich war das eine Supervsionsanfrage wie jede andere Anfrage auch. Jemand fragt mich an, um sein Erleben und Verhalten im professionellen Kontext – egal welcher Kontext das sein mag – einmal zu hinterfragen und Lösungsansätze für seinen ganz eigenen Auftrag zu entwickeln. So war das bei der Pilotsendung auch. Als Supervisior ist man nicht der Berater vor Ort, sondern der Supervisand ist der Klient des Supervisiors (in dem Fall der Protagonist in der Pilotsendung). Das heißt der Kontext, in dem sich der Supervisand bewegt, kennt der Supervisor nur bruchstückhaft aus der Erzählung des Supervisanden. Ein solcher Supervisionskontext orientiert sich an dem Selbstmanagementmodell von Kanfer und erhält neben Auftragsklärung, fachlicher Einordnung auch Selbsterfahrungselemente. Die fachliche Einordnung gründet bei mir immer auf meinen langjährigen klinischen Erfahrungen als ausgebildeter integrativer Verhaltenstherapeut mit bindungsorientiertem, bedürfniszentriertem, hypno-systemischer Grundhaltung. Gerade die integrative Perspektive scheint für viele Anliegen zentral zu sein, ähnlich der Empfehlung von Fürstenau nach psychoanalytischem Verstehen, systemischen Denken und hyponotherapeutisch- verhaltensorientiertem Intervenieren.

Wie lassen sich Konditionierungstechniken wie das Klickern einordnen?

Das ist eine gute Frage und ich versuche sie in aller Kürze holzschnittartig zu beantworten. Wie wir gleich sehen werden, handelt es sich um Ideen vor etwa 70 Jahren. Das “Klickern“ ist damit vielleicht nicht ganz so innovativ, wie mancher denken könnte und zählt zu den Methoden der klassischen und operanten Konitionierung im Rahmen des Behaviorismus.

In der Verhaltenstherapie gibt es drei große Entwicklungsströmungen:

Als erstes sehen wir den Behaviorismus der 50/60er Jahre. Hier geht es nur um beobachtbares Verhalten. Also bezogen auf den Erziehungskontext heißt das, was macht ein Kind genau und wie lässt sich sein Verhalten von Außen beeinflussen, nämlich – sie kennen das wahrscheinlich alle – durch Belohnung. Man nennt das positive Verstärkung oder den Entzug von Belohnung, negative Konsequenz. Es gibt auch eine negative Verstärkung. Davon spricht man, wenn etwas Unangenehmes wegfällt, also wenn ein Kind vielleicht nicht sein Zimmer aufräumen muss, nachdem es lange protestiert hat. Das Unangenehme muss also nicht gemacht werden und das fühlt sich dann salopp gesagt gut an.

Die zweite Strömung in der Verhaltenstherapie ist die sogenannte kognitive Wende der 70er Jahre. Es geht also um das Denken, um unsere Denkgewohnheiten sogenannte Überzeugungen oder Schemata. So wie wir z.B. uns selbst und unsere Kinder sehen und darüber denken, beeinflusst unsere Gefühle und unser Handeln.

In der dritten Strömung etwa ab den 90er Jahren treten die Beziehung, die Bindungsqualität und die Emotionen zunehmend in den Fokus. Hier geht es vor allem um die Beziehungsgestaltung man könnte sagen „im Inneren und Äußeren“ auf Grundlage z.B. der eigenen „Überlebensregel“ (nach Sulz), die sich aus früheren Interaktionsbeziehungen herauskristallisieren im Umgang mit wichtigen anderen, meist den Eltern. Es geht um die Art und Weise, wie eigene Bedürfnisse erfüllt wurden und sich hieraus der Umgang mit Gefühlen, besonders auch mit Wut und Angst etabliert hat. Bezogen z.B. auf Erziehungsthemen hieße das: Wie gehe ich mit meinem Kind um? Erkenne ich die Bedürfnisse meines Kindes und auf welchen Erfahrungen in meiner Kindheit basiert eigentlich mein aktueller Umgang mit dem Kind.

Um welche Bedürfnisse geht es da?

Es gibt unterschiedliche Bedürfniskonzepte in der Psychologie, die alle gewisse Ähnlichkeiten haben. Das wohl gängigste Konzept des Psychotherapieforschers Klaus Grawe geht von den folgenden vier Grundbedürfnissen aus: Orientierung und Kontrolle, Lustgewinn und Unlustvermeidung, Bindung, Selbstwerterhöhung.

Ein sehr hilfreiches Bedürfniskonzept für die psychotherapeutische Praxis ist besonders die körperorientierte Fassung von Albert Pesto (PBSP). Die hier verwendeten zentralen Grundbedürfnisse sind die Bedürfnisse nach: Platz/Willkommen sein, Nahrung/Anerkennung, Unterstützung, Schutz/hinter dem anderen stehen, Grenze/ Begrenzung

Jetzt haben Sie gesagt, soweit ich das noch genau erinnere, dass der Klicker wie ein Spiel ist. Ist das nicht zu kurz gedacht? 

Ich meine es gibt wirklich spannende und anregende Gesellschaftsspiele und auch welche, deren Sinn oder Unsinn nicht jeder teilt. Nehmen Sie das Beispiel „Mensch ärger dich nicht“. Geht es wirklich um das „Sich-nicht-ärgern“ bei diesem Spiel? Wenn ich Kinder frage, worum geht es denn bei bei diesem Spiel, dann sagen sie: „den anderen zu schmeißen und als erstes im Häuschen sein. Das macht Spaß, wenn es nicht mich trifft.“ Ja –  man wird vielleicht auch jemand finden, der sagt, dass man ruhig bleiben soll und sich für den anderen freuen soll. Ich glaube Sie verstehen, was ich meine.

Man kann mit einem Klicker spielen. Man könnte sogar einen Takt vorgeben – beim EMDR in der Traumaarbeit kann beispielsweise auch ein abwechselnd links und rechts gesetzter akustischer Reiz in Form eines Klicker eingesetzt werden.

Ich war früher viel auf Reisen und immer wieder fasziniert von dem Erfindungsreichtum der Kinder, beispielsweise in Nepal oder Brasilien. Die Kinder erfinden Spiele. Sie bauen sich notgedrungen ihre Spielsachen selbst. Sie sind Künstler: sie erschaffen für sich und andere Spielwelten. In diesem Sinne kann man auch mit akustischen Signalen Spiele ausdenken, wie beim gemeinsamen Musizieren. Das können auch Rollenspiele sein, Als-ob-Spiele, die einen in Beziehung mit dem Mitspieler bringen.

Sie haben einmal geschrieben: „Worte schaffen Wirklichkeiten“…

Ja das stimmt. Vielleicht hätte ich noch dazusagen sollen: der Kontext und der größere Zusammenhang schafft Wirklichkeit. Das einzelne Wort per se tut das nicht. Es ist wie ein „und“ oder ein „du“, ein „ich“. Das einzelne Wort, auch ein einzelner Satz sagt ja wenig aus. Die Platzierung von Gesagtem in spezifischen Sinnzusammenhängen macht dann aus ein und demselben unterschiedliche Bedeutung – bzw. lädt zu unterschiedlicher Bedeutungsgebung ein. Journalisten arbeiten manchmal so, oder auch Filmemacher. Sie bauen eine Dramaturgie, sonst hört vielleicht niemand zu. Damit bekommt ein Kommentar je nach Platzierung einmal eine positive und einmal eine negative Färbung.

In der Hypnotherapie ist das mitunter die hohe Kunst: hier lässt sich z.B. durch bestimmtes Einstreuen und Betonen spezifischer Worte (wie z.B. Ruhe, Schwere, Entspannung usw.) ein Sachtext über Regenwürmer zu einer Entspannungsübung machen.

Die Sozialpsychologie ist gespickt von Experimenten, die einem aufzeigen, das kommunikative Realität und Überzeugungen „biegsam“ und beeinflussbar sind – selbst jene, die ausgewiesene Experten darin sind (hier kann man nur das Buch von Robert Levine empfehlen: „die große Verführung“).

Können denn Erziehungsratgeber grundsätzlich hilfreich sein?

Das kommt sehr darauf an, in welcher Ausgangslage sich der oder die Ratsuchende befindet und wie er oder sie das Angebot für sich versteht. Dann hängt es noch davon ab, was die eigentliche Motivation der oder des Ratgeber(s) ist, aus welchem Feld, welcher Profession, kulturellem Kreis etc. der Ratgeber zu verorten ist. Geht es hier wirklich um Hilfestellung oder vielleicht um Entertainment, um Provokation, um eine Möglichkeit seine Ideen zu testen, Absatz zu generieren usw. Auch ein Ratschlag ist manchmal ja wie ein „Schlag“ und nicht all zu selten gilt auch das Sprichwort: bitte nicht helfen, es ist auch schon schwer genug.

Vielleicht ist es machmal doch ein wenig sinnvoller, eine städtische Erziehungsberatungsstelle zu kontaktieren oder über professionelle ambulante Erziehungshilfen nachzudenken.